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6.7. Arten der Reaktionsführung: Reaktoren und Phasen

EROS7 vereinigt alle Möglichkeiten des Aufbaus des Reaktionsnetzwerks, die die Vorläuferprogramme EROS5, EROS6 und MASSIMO gehabt haben, und erweitert diese. Das allgemeine Konzept ist das der Reaktoren und Phasen. Man kann dabei mehrere Reaktoren und Phasen verschachteln, wie in der technischen Chemie. Jeder Reaktor besteht aus einer oder mehreren Phasen. Eine Phase kann eine Phase im üblichen Sinne, wie wäßrige und organische Phase, sein.

Abbildung 107: Reaktor mit einer organischen und einer wäßrigen Phase.

Die Phasen können aber auch verschiedene verschaltete Kessel darstellen, wenn man den Konzentrationsverlauf der Substanzen in den Kesseln bestimmen will.

Abbildung 108: Rührkesselkaskade aus drei Kesseln.

Die Reaktoren entsprechen abgeschlossenen Prozeßeinheiten, die am Ende einer bestimmten Zeit betrachtet werden, beispielsweise die Mengenverteilung bei der Aufnahme eines Massenspektrums oder die Produktverteilung eines kontinuierlich arbeitenden Rührkessels, in dem eine Synthese durchgeführt wird und sich im stationären Zustand befindet. Die einzelnen Reaktoren werden nacheinander berechnet, wobei die Ergebnisse, also die Stoffmengen und Stoffmengenflüsse, auch wieder für die nächsten Reaktoren verwendet werden können. Beschreibt man die drei Kessel der Kaskade aus Abbildung 108 nicht als Phasen, sondern als drei Reaktoren, beginnt man mit der Berechnung des Konzentrationsverlaufs des zweiten Kessels nach Erreichen des Endzustands des ersten Kessels. Jeder Reaktor führt dabei seine eigenen kinetischen Berechnungen durch. Mit mehreren Reaktoren ist es so möglich, in einem ersten Reaktor eine Synthese zu simulieren und in einem zweiten Reaktor die Massenspektren zu berechnen. Über die Einstellungen der Phasen können die verschiedenen Typen der Reaktionsführung simuliert werden.

6.7.1. Grundtypen der Reaktionsführung

6.7.1.1. Unterscheidung kontinuierlich / absatzweise

Es gibt zwei grundsätzliche Arten der Reaktionsführung, die kontinuierliche und die absatzweise Betriebsart. Verbrennungsprozesse kommen in beiden Arten vor. Eine offene Gasflamme ist ein Beispiel für die kontinuierliche Betriebsart, da hier das Gas und der zur Verbrennung nötige Sauerstoff mit der Luft kontinuierlich zugeführt werden, wie sich auch die Verbrennungsgase vom Ort der Reaktion entfernen. Bei der Verbrennung in einem Otto-Motor (eine Zündung) oder bei einer Explosion liegt dagegen eine absatzweise Reaktionsführung vor, da in beiden Fällen zu Beginn der Reaktion eine bestimmte Menge der Reaktanden vorliegt, die während der Reaktion verbraucht werden. Eine Zufuhr der Ausgangsmaterialien während der Reaktion findet hier nicht statt.

Da bei einer absatzweisen Betriebsart Totzeiten für das Befüllen und Entleeren der Reaktionsgefäße entstehen, in denen nichts produziert wird, bevorzugt man für großtechnische Prozesse mit einer Produktionsmenge von vielen tausend Jahrestonnen eine kontinuierliche Reaktionsführung, bei der keine Totzeiten auftreten. Eine kontinuierliche Reaktionsführung besitzen KIK, IR und Kaskade.

6.7.1.2. Absatzweise betriebener, idealer Rührkessel (AIK)

Für den idealen Rührkessel wird angenommen, daß die Reaktanden zu jeder Zeit vollständig durchmischt sind. Wird er überdies absatzweise betrieben, d.h. werden zu Beginn eine bestimmte Menge der Ausgangsmaterialien hineingegeben und die Reaktionsmischung nach einer vorgegebenen Zeit entnommen, handelt es sich um einen AIK. Eine derartige Reaktionsführung ist die übliche Arbeitsweise im Labor, wenn eine Reaktion im Dreihalskolben oder Schlenkrohr durchgeführt wird. Industrielle Chargenprozesse, die für die Synthese von kleinen Mengen - z.B. für Arzneimittel - eingesetzt werden, entsprechen ebenfalls dieser Reaktionsführung.

6.7.1.3. Ideales Strömungsrohr (IR)

Bei einem idealen Strömungsrohr, also einem Strömungsrohr mit turbulenter Pfropfströmung, gilt radial vollständige Durchmischung, während axial keine stattfindet. Deshalb verhalten sich die Konzentrationsverläufe eines idealen Strömungsrohrs genauso wie die eines absatzweise betriebenen, idealen Rührkessels. Der Quotient der Strecke vom Anfang des idealen Strömungsrohrs bis zur betrachteten Stelle im Rohr und der Strömungsgeschwindigkeit entspricht dabei der Reaktionszeit des AIK, da sich die Ausgangsmaterialien an dieser Stelle gleich lang im Reaktor befunden haben. [2]

Der Vorteil eines idealen Strömungsrohrs gegenüber einem AIK liegt darin, daß es kontinuierlich betrieben wird, was für großtechnische Prozesse von Bedeutung ist. Das ideale Strömungsrohr wird dennoch nur selten eingesetzt, da es schlecht zu regeln ist. Die Ursache dafür liegt an der Verzögerungszeit, mit der eine Veränderung der Konzentration am Ende des Reaktionsrohrs festgestellt wird.

6.7.1.4. Kontinuierlich betriebener, idealer Rührkessel (KIK)

Im Gegensatz zum AIK werden dem KIK die Ausgangsmaterialien fortlaufend zugeführt. In gleichem Maße, wie neue Substanzen zugeführt werden, wird auch ein Teil der Reaktionsmischung ständig entnommen. Bei der angenommen idealen Durchmischung verweilen allerdings nicht alle Teile der Ausgangsmaterialien die gleiche Zeit im Kessel, in der sie eine Reaktion eingehen können (siehe 6.7.1.6). Diese Art der Reaktionsführung wird großtechnisch eingesetzt.

6.7.1.5. Rührkesselkaskade

Werden mehrere kontinuierlich betriebene, ideale Rührkessel hintereinandergeschaltet, handelt es sich um eine Kaskade. Sie hat den Vorteil, daß sie kontinuierlich betrieben wird und stellt im Bezug auf Verweilzeitverhalten (siehe 6.7.1.6) und Regelbarkeit ein Zwischenglied zwischen AIK/IR und dem KIK dar. Aus je mehr Kesseln die Kaskade aufgebaut ist, um so ähnlicher ist sie einem idealen Strömungsrohr.

6.7.1.6. Vergleich der Reaktionsführungen

Gegenüber einem AIK und einem Idealrohr befinden sich beim KIK nicht alle Teile der Ausgangsmaterialien gleich lange im Kessel, in der sie miteinander reagieren können. Ein Teil der Edukte verläßt beim KIK den Kessel schon wieder, kurz nachdem sie dem Kessel zugeführt wurden. Die Rührkesselkaskade, bei der mehrere KIKs hintereinander geschaltet sind, stellt einen Kompromiß aus Idealrohr und KIK dar, wobei mit der Zahl der Kessel gewählt werden kann, ob die Kaskade sich ähnlicher einem KIK oder einem Idealrohr verhalten soll.

In Abbildung 109 sind die aufsummierten Anteile angegeben, die den Reaktor nach einer bestimmten Zeit verlassen haben. Dabei werden nur Anteile betrachtet, die dem Reaktor gleichzeitig zugegeben wurden. Es wird nicht unterschieden, ob die Edukte während ihres Aufenthalts im Reaktor eine Reaktion eingegangen sind oder nicht, weshalb Abbildung 109 das Verweilzeitverhalten einer Substanz zeigt, die keine Reaktion eingeht.

Abbildung 109: Verweilzeitverhalten von AIK/IR, KIK und Kaskade (4 Kessel). [57]

Spielt die zeitliche Kontrolle der Reaktion eine entscheidende Rolle, ist es bei einem kontinuierlichen Betrieb notwendig eine Kaskade oder ein Idealrohr zu verwenden, da der KIK mit seinen breit gestreuten Verweilzeiten hierfür nicht geeignet ist.

Die Regelbarkeit der kontinuierlichen Reaktionsführungen ist für den KIK gut und schlecht bis unmöglich für das Idealrohr. In dem Maße, in dem die Kaskade dem Rohr ähnlicher wird, sinkt auch die Regelbarkeit.

6.7.1.7. Monomolekularer Zerfall

Da beim monomolekularen Zerfall nur Reaktionen erster und pseudoerster Ordnung stattfinden, ist die Durchmischung bei dieser Reaktionsführung ohne Bedeutung. Ansonsten ist es möglich den monomolekularen Zerfall neben der üblichen, absatzweisen Betriebsart wie den idealen Rührkessel auch kontinuierlich durchzuführen. Ob bimolekulare Reaktionen erzeugt werden, ausgenommen, gleicht das restliche Verhalten dem idealen Rührkessel.

6.7.2. Die Phasenmodi und ihre Auswahl der Edukte

In diesem Kapitel werden die verschiedenen, zur Verfügung stehenden Phasenmodi und wie sie die Eduktaggregate zusammenstellen kurz vorgestellt. Wie und wann sie eingesetzt werden, wird in den nachfolgenden Kapiteln beschrieben.

Jede Phase hat ihren eigenen Satz von Aggregaten, von dem ausgehend sie ihre Reaktionen erzeugt. In welcher Weise dies geschieht, hängt vom Phasenmodus ab. Diese sind im folgenden näher beschrieben. Bei einigen Modi werden auch Aggregate aus zwei unterschiedlichen Phasen als Eduktensemble verwendet. Die Produkte einer Reaktion können in einer beliebigen anderen Phase gespeichert werden. Da alle Phasen eines Reaktors miteinander verbunden sind und für sie eine gemeinsame kinetische Berechnung durchgeführt wird, müssen alle Phasen, die der Edukte und die der Produkte einer Reaktion, zu einem Reaktor gehören, wenn die Konzentrationen der Produkte bestimmt werden. Ein zweiter Reaktor kann mit den erzeugten Verbindungen inklusive deren abschließenden Konzentrationen und Stoffflüssen des vorhergehenden Reaktors fortfahren.

Generell werden alle Reaktionstypen auf die Eduktensembles aller Phasen angewendet, sofern eine entsprechende Reaktionssubstruktur gefunden werden kann. Während der Substruktursuche steht allerdings auch die Information zur Verfügung, welche Phase gerade Reaktionen generieren möchte, also zu welcher Phase das erste Eduktaggregat gehört. So kann festgelegt werden, welche Reaktionstypen für die einzelnen Phasen erlaubt sind.

6.7.2.1. Der Phasenmodus Rührkessel

Der Modus Rührkessel" ist der Modus von EROS6, bei dem alle Aggregate alleine und zusammen mit allen anderen in einer Phase reagieren. Dabei werden zwei Fälle unterschieden: einerseits dürfen Eduktaggregate auch mit sich selbst reagieren, andererseits ist dies verboten (siehe auch MIX und MIX_NO_A_A im Anhang B auf Seite 222). Neben diesen Reaktionen werden auch noch die Grenzflächenreaktionen (siehe Seite 105) erzeugt, wenn für diese Phase Kontakte zu anderen Phasen angegeben sind.

Abbildung 110: Phasenmodus Rührkessel" (MIX), zwei Reaktionsebenen. Grau unterlegt ist gezeigt, wie die Produkte in den zwei Reaktionsebenen gebildet werden, wobei jeweils zwei Moleküle miteinander reagieren.

Bezüglich der Kinetik kann der ideale Rührkessel absatzweise (siehe 6.7.4.2) oder kontinuierlich (siehe 6.7.4.4) betrieben werden.

6.7.2.2. Der Phasenmodus Monomolekular

Dieser Modus ist eine etwas abgewandelte Form des Modus, wie er in MASSIMO verwendet wurde. Er erzeugt ausschließlich Reaktionen erster und pseudoerster Ordnung. Pseudoerster Ordnung sind sie dann, wenn während der Reaktion Reagenzien hinzugefügt werden, die im Überschuß vorliegen. Für EROS7 sind die reagierenden Spezies Aggregate. Da ein Aggregat in den allermeisten Fällen aus nur einem Molekül bestehen wird, es sich also tatsächlich um monomolekulare Reaktionen handelt, und der Begriff monomolekularer Zerfall allgemein gebräuchlich ist, wurde dieser Modus monomolekular" genannt. Besteht ein Aggregat aus mehreren Molekülen, handelt es sich beispielsweise um ein Protein mit Quartärstruktur, bei dem die verschiedenen Proteinstränge, die Moleküle, über spezielle Wechselwirkungsgruppen zusammengehalten werden. Die Moleküle eines Aggregates können sich also nicht unabhängig voneinander bewegen, wodurch sich das kinetische Verhalten der Reaktionen eines solchen Aggregates um nichts von monomolekularen Reaktionen unterscheidet. EROS7 generiert in diesem Modus Reaktionen, die von einem Aggregat ausgehen und wendet alle möglichen Reaktionstypen auf dieses an. Werden während der Reaktion Moleküle oder Aggregate eingeschleust, handelt es sich um Rektionen pseudoerster Ordnung. Entstehen in einer Reaktion mehrere Produktaggregate, werden diese voneinander getrennt und jeweils als separate Eduktensembles eingesetzt.

Dieser Modus eignet sich für die Simulation der massenspektroskopischen Fragmentierung, wie auch für den Abbau verdünnter Chemikalien in der Umwelt und die Metabolisierung von Arzneimitteln.

(siehe auch MONOMOLEC im Anhang B auf Seite 222)

Abbildung 111: Monomolekularer Abbau von A.

6.7.2.3. Der Phasenmodus Grenzflächenreaktionen

Mit diesem Modus werden Grenzflächenreaktionen erzeugt, wobei ein Aggregat mit einem Aggregat einer angrenzenden Phase reagiert. Reaktionen, bei denen nur ein Aggregat beteiligt ist, werden in diesem Modus nicht durchgeführt. Benachbart sind die Phasen, für die die Nachbarschaft angegeben ist. Die Nachbarschaft der Phasen ist gerichtet, damit Reaktionen nicht doppelt erzeugt werden. Es wird angegeben, zu welchen Phasen die aktuelle Phase im Phasenmodus Grenzflächenreaktionen" Kontakte hat; z.B. Phase 1 hat Kontakt zu Phase 2. Dann erzeugt die Phase 1 die Reaktionen und kombiniert als Eduktensembles alle ihre Aggregate mit allen Aggregaten der Phase 2. Die Phase 2 kann im Modus Inert" (siehe 6.7.2.4) sein und selbst keine Reaktionen erzeugen oder auch im Modus Grenzflächenreaktionen". Wird während der Reaktion keine andere Phase für die Produkte angegeben, werden sie der Phase 1 zugeteilt. Sind Kontakte zu anderen Phasen angegeben, werden diese Reaktionen auch im Modus Rührkessel" durchgeführt.

(siehe auch SURFACE im Anhang B auf Seite 222)

Abbildung 112: Grenzflächenreaktion.

6.7.2.4. Der Phasenmodus Inert

Dieser Modus erzeugt selbst keine Reaktionen, sondern dient nur der Speicherung von Aggregaten, die dann an Grenzflächenreaktionen teilnehmen können.
(siehe auch INERT im Anhang B auf Seite 222)

6.7.2.5. Der Phasenmodus laminares Strömungsrohr

Der Phasenmodus des laminaren Strömungsrohrs" ist der Modus von EROS5, bei dem das Reaktionsensemble während aller nacheinander ablaufender Reaktionen zusammengehalten wird. Die Produkte einer Reaktion können dabei untereinander weiterreagieren, jedoch nicht mit den Edukten oder den Produkten parallel ablaufender Reaktionen. Dies entspricht einem Strömungsrohr mit laminarer Strömung, bei dem keine Durchmischung stattfindet. Werden einfache Moleküle im Reaktionsverlauf öfters benötigt, können diese, wie in EROS5, jedesmal in der Vorbehandlungsfunktion für die Edukte, aber auch selektiv für einen Reaktionstyp, eingeschleust werden.

(Siehe auch TUBE im Anhang B auf Seite 223)

Abbildung 113: Phasenmodus laminares Strömungsrohr".

Da ein Molekül / Aggregat in mehreren Reaktionsebenen auftreten kann und dort auch in unterschiedlichen Konzentrationen vorliegen kann, die Kinetik aber für vollständige Durchmischung definiert ist, kann für diesen Modus keine Kinetik berechnet werden, wie auch in EROS5 keine Kinetik enthalten war. Dies schränkt den Einsatz dieses Phasenmodus stark ein.

6.7.3. Phasenübergänge und Phasentransferreaktionen

Zur Überführung von Aggregaten von einer in eine andere Phase werden Reaktionen eingesetzt, die den Übergang in eine andere Phase beschreiben (Phasenübergänge) oder eine Reaktion an den Edukten zusammen mit dem Übergang durchführen (Phasentransferreaktionen). Die Eduktaggregate können, wenn bimolekulare Reaktionen erzeugt werden, aus verschiedenen Phasen stammen und die Produkte in eine dritte Phase gehen. Aus welchen Phasen die Edukte kommen, wird über die Einstellungen der Phasen gesteuert, welcher Phase die Produkte zugeordnet werden, wird in der Reaktionsgenerierung des Reaktionstyps festgelegt. Anfänglich ist die Phase für die Produkte identisch mit der Phase des ersten Edukts, von der aus die Reaktion erzeugt wird. Wird die Phase für die Produkte während der Reaktion auf eine andere Phase gesetzt, wird die Reaktion zum Phasenübergang bzw. zur Phasentransferreaktion. In den meisten Fällen werden die Reaktionen innerhalb einer Phase durchgeführt und es existiert ein spezieller Reaktionstyp, der nur für die Phasenübergänge zuständig ist, aber keine Veränderungen am Ensemble vornimmt. Bei den speziellen Reaktionen für die kombinatorische Chemie werden häufig auch Kombinationen aus der Modifikation des Ensembles und einem Phasentransfer (Phasentransferreaktionen) verwendet (siehe 6.7.4.10).

6.7.4. Aufbau der Reaktoren mit Phasen in verschiedenen Modi

6.7.4.1. Wann werden welche Phasenmodi eingesetzt?

Abbau von Umweltchemikalie und Pharmakokinetik

Hierfür wird ein Reaktor mit eine Phase im Modus monomolekular" eingesetzt, der Reaktionen erster und pseudoerster Ordnung generiert.

Kombinatorische Chemie

Abhängig von der Zahl der reagierenden, funktionellen Gruppen und der Zahl der verschiedenen Stoffgruppen für die Reaktion wird ein Reaktor mit mehreren Phasen in den Modi Grenzflächenreaktionen" und Inert" benötigt.

Laborsynthesen und Chargenprozesse

Für die Simulation dieser Prozesse wird der absatzweise betriebene, ideale Rührkessel (AIK) verwendet. Dieser kann je nach Art der Synthese eine (siehe absatzweise betriebene, ideale Rührkessel) oder mehrere Phasen (siehe Rührkessel mit organischer und wäßriger Phase, wenn dieser absatzweise betrieben wird) besitzen.

Simulation von massenspektroskopischen Prozessen

Auch für die Simulation der Reaktionen im Massenspektrometer eignet sich ein Reaktor mit einer Phase im Modus monomolekular".

Großtechnische Prozesse

Für die Vorhersage großtechnischer Prozesse kann keine eindeutige Aussage getroffen werden, da diese mit ganz unterschiedlichen Reaktionsführungen durchgeführt werden. Da der überwiegende Teil der Synthesen kontinuierlich erfolgt, kommen hier der kontinuierliche betriebene, ideale Rührkessel, die Rührkesselkaskade, die Rührkesselkaskade im Gegenstrom, ein Rührkessel mit organischer und wäßriger Phase (kontinuierlich) und das ideale Strömungsrohr zum Einsatz.

Syntheseplanung

Zur Nutzung von EROS7 in der Syntheseplanung können die Phasenmodi laminares Strömungsrohr" bzw. monomolekular" eingesetzt werden.

6.7.4.2. Absatzweise betriebener, idealer Rührkessel (AIK)

Ausgehend von den verschiedenen Modi der Phasen lassen sich die einzelnen technischen Reaktoren aufbauen. Der absatzweise betriebene, ideale Rührkessel ist ein Reaktor mit einer Phase im Modus Rührkessel". Anwendung findet diese Art der Reaktionsführung bei der Simulation von Chargenprozessen, wie sie für industrielle Synthesen kleiner Mengen, zum Beispiel von Arzneimitteln und im Labor eingesetzt werden.

Für die Ausgangsmaterialien sind bei dieser Reaktionsführung Anfangskonzentrationen größer null gegeben, aber keine Stoffmengenzuflüsse. Die Phase hat ein bestimmtes Volumen und einen Fluß (Zu- und Abfluß) von null. Zudem wird beim idealen Rührkessel angenommen, daß die Substanzen immer vollständig durchmischt sind.

Abbildung 114: Einstellungen für einen AIK.

6.7.4.3. Ideales Strömungsrohr (IR)

Da das Ideale Strömungsrohr das gleiche kinetische Verhalten besitzt wie der AIK, sind die Einstellung für EROS7 identisch (siehe 6.7.4.2). Die Reaktionszeit steht in diesem Fall für einer entsprechenden Strecke des Reaktionsrohrs.

6.7.4.4. Kontinuierlicher, idealer Rührkessel (KIK)

Abweichend vom AIK sind beim kontinuierlich betriebenen, idealen Rührkessel die Stoffmengenzuflüsse der Ausgangsmaterialien sowie der Phasenfluß, der Fluß des Lösungsmittels durch die Phase, größer null. Die Anfangskonzentrationen der Ausgangsmaterialien können sowohl festgelegt werden als auch null sein, wenn man auch das Befüllen des Reaktors simulieren möchte.

Abbildung 115: Einstellungen für einen KIK.

6.7.4.5. Rührkesselkaskade

Ausgehend vom KIK kann man auch Reaktoren mit mehreren Phasen und mehreren Reaktorteilen aufbauen. Mehrere kontinuierlich betriebene, ideale Rührkessel lassen sich zu einer Rührkesselkaskade zusammenschalten. Für eine Kaskade aus drei Kesseln hat man einen Reaktor mit drei Phasen im Modus Rührkessel", die die einzelnen Kessel darstellen. Der Ausfluß der ersten beiden Rührkessel fließt jeweils in den nächsten, die Ausgangsmaterialien fließen in den ersten Kessel und die Konzentrationen der Substanzen im letzten Kessel sind gleich den Konzentrationen im Abfluß der Kaskade. Jede Verbindung erhält für jeden Kessel eine eigene Aggregatnummer, damit die unterschiedlichen Konzentrationsverläufe in den Kesseln berechnet werden können. Intern werden die Aggregate dennoch nur einmal gespeichert.

Abbildung 116: Rührkesselkaskade aus drei Kesseln.

Die Reaktionen werden für jeden Kessel einzeln generiert, da die Reaktionen in den verschiedenen Phasen (Kesseln) unterschiedlich gut bzw. gar nicht ablaufen können. Dies liegt an der Möglichkeit, daß man die Rührkessel in gleicher Weise für andere Zwecke verschalten kann. So kann man im ersten Kessel eine Reaktion in trockenem Alkohol durchführen und im zweiten Kessel die Lösung mit Wasser versetzen und wäßrig aufarbeiten. Im zweiten, wäßrigen Kessel laufen dann natürlich bevorzugt andere Reaktionen als im ersten Kessel ab.

Der Abfluß der letzten Phase einer Kaskade gilt als Ergebnis des Reaktors. Dient diese Phase als Eingabe für einen weiteren Reaktor, ist ihre Endkonzentration die Anfangskonzentration und ihr Stoffabfluß gleich dem Stoffzufluß für den zweiten Reaktor.

In den meisten Fällen werden alle Rührkessel das gleiche Volumen und den gleichen Fluß durch die Kessel besitzen, es ist aber theoretisch auch möglich, verschiedene Werte zu verwenden. Sind die Flüsse aus einer und in eine andere Phase unterschiedlich, sind die Stoffströme für die einzelnen Substanzen dennoch gleich. Alle Substanzen, die aus einem Kessel herausfließen, kommen also im nächsten Kessel der Kaskade an, was bei unterschiedlichen Flüssen nicht für das Lösungsmittel gilt.

6.7.4.6. Rührkessel mit organischer und wäßriger Phase

Zur Simulation eines Rührkessels mit einer organischen und einer wäßrigen Phase nimmt man einen Reaktor mit zwei Phasen im Modus Rührkessel". Die Ausgangsmaterialien werden zusammen mit ihren Anfangskonzentrationen je einer der beiden Phasen zugeteilt Werden für sie Zuflüsse angegeben geht man vom absatzweisen Betrieb auf eine kontinuierliche Reaktionsführung über. Bisher würde es sich um zwei unabhängige absatzweise betriebene bzw. kontinuierliche Rührkessel handeln. Ein Rührkessel mit zwei Phasen entsteht daraus durch das Erzeugen von reinen Phasenübergängen für alle Substanzen. Am Ensemble werden dabei keine Modifikationen durchgeführt, sondern nur die Phase für die Produkte gesetzt. Die Geschwindigkeitskonstante des Transfers von der Phasengrenzfläche, den Diffusionskoeffizienten durch die Grenzschicht, die Grenzschichtdicke, dem Verteilungskoeffizienten und den Phasenvolumina ab (siehe 6.9.1). Die Geschwindigkeitskonstanten der beiden Phasenübergänge für eine Substanz haben in beiden Richtungen unterschiedliche Werte und der Quotient deren Produkte mit den Phasenvolumina ergibt den Verteilungskoeffizienten N für die Substanz in den beiden Phasen.

6.7.4.7. Rührkesselkaskade im Gegenstrom

Kombiniert man nun kontinuierliche Rührkessel mit zwei Phasen zu einer Kaskade, kann man die Rührkesselkaskade im Gleich- oder Gegenstrom schalten, indem man die Reihenfolge der Zu- und Abflüsse der einzelnen Phasen variiert. Hier soll nun eine Rührkesselkaskade aus drei Kesseln im Gegenstrom gezeigt werden. Dazu werden sechs Phasen in einem Reaktor benötigt.

Abbildung 117: Rührkesselkaskade aus drei Kesseln im Gegenstrom.

Die Ausgangsmaterialien werden der Phase 1 und möglicherweise der Phase 6 zugeteilt. Die Phasenflüsse gehen von Phase 1 in Phase 2, von 2 in 3, von 6 in 5 und von 5 in 4, wobei die Substanzen der Phase 3 (oder 4) mit ihren Konzentrationen als Ergebnis der Gegenstromkaskade ausgegeben werden. Phasenübergänge werden zwischen den Phasen 1 und 4, 2 und 5 sowie 3 und 6 erzeugt.

6.7.4.8. (Pseudo-)Monomolekularer Zerfall

Unter dem Begriff (pseudo-)monomolekularer Zerfall werden Reaktionsnetzwerke zusammengefaßt, die aus Reaktionen erster und pseudoerster Ordnung aufgebaut sind. Dazu gehört auch der monomolekulare Zerfall durch die Fragmentierungen und Umlagerungen einer Verbindung nach einer Elektronenstoßionisation in einem Massenspektrometer. Bei Umlagerungen entstehen ein, bei Fragmentierungen zwei Aggregate als Produkte einer Reaktion, die getrennt voneinander weiterreagieren. Die gebildeten Neutralfragmente reagieren teilweise weiter zu anderen Neutralfragmenten. Da Neutralfragmente nicht detektiert werden können, sind diese Reaktionen sowohl für die Analyse als auch die Simulation von Massenspektren ohne Bedeutung, weshalb Reaktionen von Neutralfragmenten ausgeschlossen werden. Die neutralen Ausgangsverbindungen werden in der ersten Reaktionsebene vor den Fragmentierungen und Umlagerungen zunächst ionisiert.

Ein weiteres Einsatzgebiet für den Phasenmodus monomolekular" liegt bei Reaktionen pseudoerster Ordnung vor, die beim Abbau von Chemikalien in der Umwelt Anwendung finden. Die Reaktanden Wasser und Wasserstoff, der formal für Reduktionen verwendet wird, liegen im großen Überschuß vor. Für die Reaktionen werden dann nur die Umweltchemikalien bzw. die schon gebildeten Metaboliten verwendet. Die Reaktanden Wasser oder Wasserstoff werden während der Reaktion in das Reaktionsensemble eingeschleust. So erreicht man eine Geschwindigkeitssteigerung bei der Simulation des Abbaus, nimmt aber in Kauf, daß die erzeugten Reaktionen stöchiometrisch nicht korrekt sind, da das Wasser bzw. der Wasserstoff auf der Eduktseite fehlen. Für eine korrekte Symmetriezahl, die Zahl der Anordnungsmöglichkeiten der Edukte, bei der dieselbe Reaktion erfolgt, muß die von EROS7 berechnete Zahl noch mit der Symmetriezahl der Teilreaktionssubstruktur im während der Reaktion eingeführten Molekül multipliziert werden. Für die Hydrolyse und Reduktion mit Wasserstoff wird die Symmetriezahl verdoppelt. Die Geschwindigkeitskonstante für die Reaktion ist pseudoerster Ordnung mit

Will man stöchiometrisch richtige Reaktionen und nicht nur die Metaboliten mit ihren Konzentrationsverläufen modellieren, nimmt man einen Rührkessel und benötigt neben den Umweltchemikalien auch Wasser und Wasserstoff als Ausgangsmaterialien. Wasser und Wasserstoff müssen nicht von der Datei mit den Edukten eingelesen werden, sondern können auch bei der Vorbehandlung der Ausgangsmaterialien eingeschleust werden. Man will gewöhnlich allerdings nur wissen, wie die Umweltchemikalie abgebaut wird. Hat man Eigenschaften des Bodens, in dem die Chemikalie abgebaut wird, und berücksichtigt sie, dann stehen sie in den Regeln und dazu gehört auch, daß der Boden wasserhaltig ist und Reduktionsäquivalente enthält.

EROS7 kennt aber nicht nur einzelne Moleküle, sondern auch Aggregate aus mehreren Molekülen, wie die Ionen eines Salzes oder die Proteinstränge eines Proteins mit Quartärstruktur. Da sich die in einem Aggregat zusammengehaltenen Moleküle nicht unabhängig voneinander bewegen können, sind auch Reaktionen, die von einem Aggregat ausgehen, Reaktionen erster Ordnung und verhalten sich damit genauso wie monomolekulare Reaktionen. Dies ist der Grund, weshalb als Edukte für den (pseudo-)monomolekularen Zerfall neben Aggregaten mit nur einem Molekül auch Aggregate aus mehreren Molekülen zugelassen sind.

In all diesen Fällen verwendet man einen Reaktor mit einer Phase im Modus monomolekular".

6.7.4.9. Laminares Strömungsrohr

Der Modus des laminaren Strömungsrohrs" ist der Modus von EROS5, bei dem die Produkte einer Reaktion zusammengehalten werden und ausgehend von ihnen die weiteren Reaktionen vorgenommen werden. In diesem Modus werden keine Aggregate neu miteinander kombiniert. Da während der Reaktionen auch beispielsweise kleine Moleküle, wie Wasser, hinzugefügt werden können, eignet sich dieser Modus sowohl für die Reaktionsvorhersage in verdünnten Lösungen als auch für die Syntheseplanung, wenn die Reaktionstypen retrosynthetischen Schritten entsprechen.

Abbildung 118: Laminares Strömungsrohr.

Da in diesem Modus die Kinetik nicht angewendet werden kann, sind die Ergebnisse rein qualitativ. Wie [9] zeigt, kann diese Art der Reaktionsgenerierung für die Auffindung der möglichen Produkte und die Syntheseplanung in vielen Fällen erfolgreich eingesetzt werden.

6.7.4.10. Kombinatorische Chemie

Eine weitere Anwendungsmöglichkeit, bei der kinetische Berechnungen keine Rolle spielen, ist der Einsatz von EROS7 in der kombinatorischen Chemie. In der kombinatorischen Chemie ist man daran interessiert, den vollständigen Satz aller Produkte zu erzeugen, der bei den Reaktionen einer definierten Menge ein- und/oder multifunktioneller Moleküle bei vollständigem Umsatz entstehen. In diesem Zusammenhang erhalten die Phasen eines Reaktors eine neue Bedeutung. Sie stellen hier die einzelnen Reaktionsebenen und Substanzgruppen dar. Dies wird an der Esterbildung aus Säurechloriden und Alkoholen gezeigt.

Abbildung 119: Phasen für die Bildung aller möglichen Ester.

Die Phasen eins und drei sind inert und die Phase zwei erzeugt Grenzflächenreaktionen. Durch den Kontakt der Phase zwei zur Phase eins werden je ein Alkohol und ein Säurechlorid kombiniert und zur Reaktion gebracht, wobei die Produkte der Reaktion der Phase drei zugeteilt werden. In der Phase drei erhält man so neben der gebildeten Salzsäure alle Esterkombinationen (siehe Abbildung 120).

Abbildung 120: Esterkombinationen.

Aber auch die möglichen Produkte von Reaktionen, deren Verbindungen mehrere funktionelle Gruppen besitzen, können mit EROS7 bestimmt werden. Verestert man Glycerin gleichzeitig mit drei verschiedenen Säurechloriden, benötigt man einen Reaktor mit fünf Phasen. In die erste kommen zu Beginn die Säurechloride und in die zweite das Glycerin. Man definiert nun die Phasen so, daß die erste und letzte Phase inert sind und alle anderen Phasen Grenzflächenreaktionen erzeugen und Kontakt zur ersten Phase besitzen. Die ersten Veresterungsreaktionen werden so von der Phase zwei erzeugt, indem sie das eigene Aggregat Glycerin mit allen Aggregaten aus der Phase eins reagieren läßt. Setzt die Reaktion die Phase für die Produkte immer um eins höher als die Nummer der Phase, die die Reaktion generiert, kommen alle Monoacylglyceride in die Phase drei, die Diacylglyceride in die Phase vier und alle möglichen Triacylglyceride befinden sich schließlich nach einer Reaktionsebene für alle Phasen in der Phase fünf.

Abbildung 121: Phasen für die Bildung aller möglicher Triacylglyceride.

Neben den 18 Triacylglyceriden, die unter Vernachlässigung der Stereochemie gebildet wurden, ist auch die bei den Reaktionen entstehende Salzsäure in den Phasen drei bis fünf enthalten.

Abbildung 122: Gebildete Triacylglyceride inklusive Salzsäure.

Da man an der Salzsäure in der Regel kein Interesse hat und sie möglicherweise für die weitere Verarbeitung gar entfernen müßte, kann die gebildete Salzsäure während der Reaktionsgenerierung aus dem Produktensemble gelöscht werden. Auch in diesem Fall sind die Reaktionen stöchiometrisch nicht einwandfrei, da die Salzsäure auf der Produktseite fehlt.

6.7.4.11. Weitere Aufbauschemata für Reaktoren

Bei der Verschaltung der einzelnen Phasen in den verschiedenen Modi ist der Phantasie wie bei den technischen Reaktoren keine Grenze gesetzt. So können auch viele andere Reaktortypen aufgebaut werden.



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