Einsatz der unterschiedlichen Programmsysteme
Reaktionsdatenbanken sind sehr viel besser von den Synthesechemikern akzeptiert
worden als Syntheseplanungsprogramme. In einer Reaktionsdatenbank sind alle
für eine gespeicherte Reaktion verfügbaren Informationen direkt abrufbar.
Wird nach der Lösung eines Syntheseproblems gesucht, vermitteln Reaktionsdatenbanken
daher dem Chemiker den Eindruck von mehr Transparenz als Vorschlag eines Syntheseplanungsprogramms.
Andererseits können Reaktionsdatenbanken meist nur für konkrete Teilschritte
einer Synthese eine Antwort liefern. Zuvor muß der die Planung der Synthese
ausführende Chemiker zumindest schon eine grobe Vorstellung über die
Gesamtstrategie der Synthese seiner Zielverbindung entwickelt haben. Erst dann
kann mit der Suche nach Synthesereaktionen in einer Reaktionsdatenbank begonnen
werden.
Gerade hier bieten Syntheseplanungsprogramme dem Anwender eigentlich den Vorteil,
auch dann Vorschläge liefern zu können, wenn noch keine konkrete Vorstellung
über eine Synthesestrategie für eine Zielverbindung existiert. Dennoch
ziehen Chemiker aus den genannten Gründen die Verwendung einer Reaktionsdatenbank
offensichtlich vor. Sehr häufig ist in Richtung der Syntheseplanungsprogramme
der Vorwurf zu hören, die gemachten Vorschläge seien entweder trivial
oder unsinnig. Andererseits is es allerdings ebenfalls nicht einfach, durch
Suchen in einer Reaktionsdatenbank immer ein befriedigendes Ergebnis zu erzielen.
Hierbei sollen die beschriebenen Klassifizierungsverfahren Abhilfe schaffen,
können dies aber bisher häufig nur in relativ engen Grenzen und unter
bestimmten Voraussetzungen leisten.
In Zeiten von rasant wachsenden Reaktionsdatenbanken, die gleichzeitig ein
immens zunehmendes chemisches Wissen repräsentieren, ist eine Weiterentwicklung
auf dem Gebiet der computergestützen Syntheseplanung und der Wissensextraktion
aus Reaktionsdatenbanken unbedingt erforderlich. Dies erscheint um so notwendiger,
da in Zeiten von Ultra-High-Throughput-Screening (UHTS) pro Tag 100.000 und
mehr Substanzen auf einem bestimmten biologischen Target getestet werden können,
d.h. es müssen entsprechende Substanzbibliotheken synthetisiert werden.
Ein immer wichtiger werdendes Anwendungsgebiet sind neue Verbindungen bzw. Verbindungsklassen,
die durch de-novo-Design-Experimente in Bindungstaschen von Enzymen gefunden
werden. Die Synthetisierbarkeit dieser Verbindungsklassen muß schnell
und effizient abgeschätzt werden können.
Dem Chemiker als Anwender von Syntheseplanungs- und Reaktionsvorhersage-Programmen
muß daher vermittelt werden, daß entsprechende Programme keine Einmischung
in seine Kompetenzen darstellen, sondern daß diese Programme ein unerläßliches
Hilfsmittel für das effiziente Auffinden neuer Informationen und die gezielte
Planung von Synthesen sein können.
© Prof. Dr. J. Gasteiger, Dr. Th. Engel, M. Sitzmann, CCC Univ. Erlangen, Thu Apr 22 13:31:26 2004 GMT
BMBF-Leitprojekt Vernetztes Studium - Chemie
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