Reaktionsdatenbanksysteme
Von den bisher vorgestellten Programmsystemen zur computergestützten organischen
Synthese (Syntheseplanung und Reaktionsvorhersage) verfolgen Reaktionsdatenbanksysteme
konzeptionell sicher den einfachsten Ansatz. Sie ermöglichen die Recherche
nach bereits durchgeführten, in Reaktionsdatenbanken gespeicherten Synthesereaktionen,
über die sich eine Lösung für ein aktuell bestehendes Syntheseteilproblem
finden läßt. Verglichen zu Syntheseplanungs- und Reaktionsvorhersage-Programmen
erschienen entsprechende Systeme trotz dieses einfachen Konzeptes aber erst
relativ spät am Markt. Als einer der Gründe für diesen Umstand
müssen die hohen Anforderungen gelten, die die elektronische Repräsentation
von Reaktionen an ein System stellt, das dem Anwender effiziente Möglichkeiten
für eine gezielte Suche nach Reaktionen bieten soll. Gleichzeitig bestehen
auch hohe Anforderungen an entsprechende Computer-Hardware, die erst ab Mitte
der achtziger Jahre mit ausreichender Leistung zur Verfügung stand.
Ein erster Schritt in Richtung elektronischer Recherche nach Reaktionen war
Anfang der siebziger Jahre die Möglichkeit, textbasierte Suchen nach Schlüsselwörtern
in den Chemical Abstracts Services (CAS) durchführen zu können. Dies
wurde einige Jahre später durch strukturbasierte Suchen (Substruktur- und
Vollstruktursuche) in DARC und CAS ONLINE (1980) erweitert. Die ersten Systeme,
die als vollständige Reaktionsdatenbanksysteme bezeichnet werden können,
waren REACCS (1982), SYNLIB (1982) und ORAC (1983). Sie alle brachten zunächst
eigene, kleine Reaktionsdatenbanken mit, in denen Reaktionen vollständig
als Strukturdiagramme von Edukten und Produkten einschließlich der Reaktionszentren
dargestellt waren. Alle genannten Systeme besaßen bereits einfache graphische
Benutzerschnittstellen, über die die strukturbasierte Eingabe von Suchanfragen,
die graphische Ausgabe von Suchresultaten und die Darstellung von Menüs
zur Programmsteuerung erfolgten. In späteren Versionen von REACCS und ORAC
war die Reaktionsrecherche dann nicht mehr nur ausschließlich auf die
systemeigenen Datenbanken beschränkt. So stand in REACCS als einer der
ersten Datenbanken die Theilheimer-Datenbank zur Verfügung.
Trotz ihres späten Erscheinens hat die Suche nach geeigneten Synthesereaktionen
in Reaktionsdatenbanken große Akzeptanz bei den im Labor arbeitenden Synthesechemikern
gefunden. Die aktuell wichtigsten Reaktionsdatenbankensysteme, die aus 20 Jahren
Entwicklung auf diesem Gebiet hervorzuheben sind, sind der 'MDL ISIS Reaction
Browser', der von MDL als Nachfolgesystem zu REACCS entwickelt wurde und in
dessen Datenbankformat eine große Anzahl verschiedenster Reaktionsdatenbanken
zur Verfügung steht.
'MDL CrossFire Commander', der ursprünglich vom Beilstein-Institut stammt,
inzwischen ebenfalls von MDL weitergeführt wird und der die Suche in einer
der größten Datenbanken, 'CrossFire Beilstein/Gmelin' ermöglicht.
SciFinder (Scholar) bietet Zugriff auf alle von CAS betreuten Datenbanken. Darunter
befinden sich mit CASREACT auch eine der größten zur Verfügung
stehenden Reaktionsdatenbanken.
Außerdem besteht für die meisten wichtigen Reaktionsdatenbanken zusätzlich
die Zugriffsmöglichkeit über STN (Scientific and Technical Information
Network). Über STN kann ohne eigene inhouse-Lizenz in Datenbanken recherchiert
werden, die Gebühren fallen pro Recherche an.
© Prof. Dr. J. Gasteiger, Dr. Th. Engel, M. Sitzmann, CCC Univ. Erlangen, Thu Apr 22 13:31:26 2004 GMT
BMBF-Leitprojekt Vernetztes Studium - Chemie
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