SYNCHEM
Das SYNCHEM-(Synthetic Chemistry) Projekt wurde in den frühen siebziger
Jahren durch H. Gelernter und seiner Gruppe begonnen. Neben der Entwicklung
von Methoden zur Planung organischer Synthesen wurde SYNCHEM auch aus der Idee
heraus geboren, daß computergestützte Syntheseplanung eine ideale
Plattform bietet, um Konzepte auf dem Gebiet der "Künstlichen Intelligenz"
zu erarbeiten. Konzipiert wurde SYNCHEM als ein Werkzeug für organische
Chemiker, das selbständig geeignete Synthesestrategien für eine vorgegebene
Zielverbindung sucht, ohne daß dabei eine Beeinflussung durch den Anwender
notwendig wird.
SYNCHEM gehört zu der Gruppe der wissensbasierten Systeme. Seine Wissensbasis
besteht aus einer Reaktionsbibliothek mit ca. 1.000 Transforms (sog. 'Transform-Operatoren'),
mit denen bekannte Reaktionen verschlüsselt werden. Als weiteren Teil seiner
Wissenbasis besitzt SYNCHEM eine Strukturdatenbank aus ca. 5.000 ausgewählten
Ausgangsverbindungen verschiedener Chemikalienhersteller. Ist die Zielverbindung
vom Anwender eingegeben, versucht SYNCHEM die systematische Anwendung seiner
Transform-Operatoren auf die Zielverbindung, was anschließend in gleicher
Weise für alle abgeleiteten Vorstufen wiederholt wird. Dieser Prozeß
wird fortgesetzt, bis im so generierten Synthesebaum entweder alle Zweige auf
verfügbare Ausgangsmaterialien der Wissenbasis zurückgeführt
sind, oder ein vom Benutzer vorgegebenes Abbruchkriterium erreicht ist (z.B.
erster Synthesepfad ist vollständig bis zu verfügbaren Ausgangsmaterialien
gelöst, Rechenzeit ist überschritten, Beschränkung der Zahl expandierbarer
Knoten innerhalb des Synthesebaum ist erreicht). Um eine übermäßige
Verzweigung des Synthesebaums in den einzelnen Knoten zu vermeiden, wird für
jeden erfolgreich angewandten Transform-Operator unmittelbar überprüft,
ob sich ein gültiger Retrosyntheseschritt ergibt. Zusätzlich wird
der strategische Wert des dazugehörigen Reaktionsschritts eingeschätzt.
Dabei berücksichtigt das Programm neben der Grundbewertung dieses Schritts
aus seiner Wissenbasis auch Faktoren wie die Verträglichkeit funktioneller
Gruppen, elektronische Effekte, Behinderung der Reaktion durch sterische Einflüsse,
usw.
UND/ODER-Synthesebaum in SYNCHEM. Alle Reaktionsknoten (ODER-Knoten) in
einer Ebene entsprechen zueinander alternativen retrosynthetischen Schritten
(Transform-Operatoren). Strukturknoten (UND-Knoten) enthalten die Zielverbindung,
Zwischenstufen oder verfügbare Ausgangsmaterialien. Mehrere UND-Knoten,
die über einen übergeordneten Reaktionsknoten miteinander verknüpft
sind, bilden die gemeinsamen Vorstufen der in diesem Knoten codierten Reaktion
Um den hohen Aufwand der Generierung der Wissenbasis zu vermeiden, wurden in
der Gruppe von Gelernter schon sehr früh Methoden entwickelt, um aus Reaktionsdatenbanken
automatisch Wissen zur Erweiterung der Wissensbasis abzuleiten. Daraus entstanden
die Programmsysteme BRANGÄNE, ISOLDE und TRISTIAN, die Methodiken des induktiven
und deduktiven Lernens implementieren.
© Prof. Dr. J. Gasteiger, Dr. Th. Engel, M. Sitzmann, CCC Univ. Erlangen, Thu Apr 22 13:31:24 2004 GMT
BMBF-Leitprojekt Vernetztes Studium - Chemie
|