SYNGEN
Zu Beginn der siebziger Jahre stellte J. B. Hendrickson ein einfaches mathematisches
Modell für die logische Beschreibung von Strukturen und Reaktionen vor,
welches er später auch für die Implementierung des Programmsystems
SYNGEN (Synthesis Generator) nutzte. Im Gegensatz zu den meisten anderen Syntheseplanungsprogrammen
verzichtet SYNGEN vollständig auf eine Datenbank aus Transforms bzw. Reaktionsschemen
als Wissenbasis. Es wird daher zu der Gruppe der logisch-orientierten Programmsysteme
gezählt. Nachdem die Zielverbindung eingegeben wurde, generiert SYNGEN
ohne Interaktion mit dem Anwender geeignete Synthesestrategien für diese
Verbindung.
Die retrosynthetische Analyse erfolgt in zwei Stufen. In der ersten Stufe wird
durch SYNGEN ausschließlich das Kohlenstoffgerüst der Zielverbindung
ohne funktionelle Gruppen betrachtet, wobei eingebettete, nicht terminale Stickstoffatome
als Teil des Gerüstes aufgefaßt werden. Die Zerlegung des Grundgerüstes
erfolgt anhand von Bindungssätzen (jeweils eine Bindung oder eine Kombination
von zwei Bindungen, die gebrochen wird), wobei immer auf eine möglichst
konvergente Synthesestrategie geachtet wird. Um dies zu erreichen, versucht
SYNGEN, das Kohlenstoffgerüst idealerweise in jeweils zwei aufeinander
folgenden Schritten zu vier annähernd gleich großen Vorstufen zu
zerlegen. Für diese Vorstufen wird überprüft, ob ihr Kohlenstoffgerüst
in gleicher Form in verfügbaren Ausgangsmaterialien zu finden ist. SYNGEN
verfolgt hier also eine topologische und auf Ausgangsmaterialen orientierte
Synthesestrategie.
In der zweiten Stufe der retrosynthetischen Analyse wird versucht, für
die so gefundenen Molekülskelette sämtliche chemischen Funktionalitäten
zu generieren, die notwendigerweise für alle Aufbaureaktionen des Molekülgerüstes
der Zielverbindung gebraucht werden. Dies geschieht durch rein mechanistische
Betrachtungen, indem jede das Skelett aufbauende Reaktion als eine Kombination
aus elektrophilen und nukleophilen Halbreaktionen angesehen wird. Um die Komplexität
aller dabei möglicherweise in Erscheinung tretenden funktionellen Gruppen
einschränken zu können, werden diese in abstrakter, generalisierter
Form dargestellt und so in synthetisch maßgebliche Familien eingeteilt.
Mit Hilfe dieser Darstellung werden die während der einzelnen Aufbauschritte
benötigten chemischen Funktionalitäten in den Gerüstfragmenten
aller Vorstufen etabliert. Für die vier Startverbindungen wird anschließend
versucht, ihre generalisierte Darstellung in reale Ausgangsverbindungen zu überführen.
Das erfolgt durch eine Suche in einem entsprechenden Katalog mit Ausgangsmaterialien.
Gelingt die Suche nicht, versucht SYNGEN durch Umfunktionalisierung von Katalogverbindungen
die benötigten Startverbindungen der Synthese zu generieren, wobei die
Zahl dieser Umfunktionalisierungsschritte möglichst klein gehalten werden
soll.
Als Katalog für die Suche nach Ausgangsmaterialien dient der aktuellen
SYNGEN-Version eine Datenbank aus 6.000 Verbindungen mit Kohlenstoff-/Stickstoffskeletten
in einer Größe von drei bis 16 Atomen und mit ca. 400 verschiedenen
Grundgerüsten. Diese Datenbank wurde aus einer Sammlung von 170.000 kommerziell
verfügbaren Ausgangsverbindungen abgeleitet.
Synthesestrategie von SYNGEN
© Prof. Dr. J. Gasteiger, Dr. Th. Engel, M. Sitzmann, CCC Univ. Erlangen, Thu Apr 22 13:31:24 2004 GMT
BMBF-Leitprojekt Vernetztes Studium - Chemie
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