Beispiele radialer Verteilungsfunktionen
Konstitution und Konformation
Ähnlichkeiten zweier radialer Verteilungsfunktionen (RDF Code) und Unterschiede in Gerüststrukturen zu erkennen ist für die Strukturvorhersage von besonderer Bedeutung. An einigen Beispielen sollen strukturelle Ähnlichkeiten und Unterschiede in ihrer Auswirkung auf eine radiale Verteilungsfunktion mit diskreten Atomeigenschaften diskutiert werden.
Die Reaktion der radialen Verteilungsfunktion auf Änderungen der Konstitution kann am Beispiel einfacher acyclischer Aliphaten verdeutlicht werden. Die Radialfunktionen acyclischer Aliphaten sind in der Regel durch eine gewisse Periodizität gekennzeichnet. Liegen Verzweigungen im Molekül vor, so führt dies zum Auftreten neuer Distanzen und damit zu neuen Maxima in der radialen Verteilungsfunktion, die für die Interpretation von Bedeutung sind.

Unterschiede der radialen Verteilungsfunktion bei linaren und verzweigten aliphatischen Verbindungen (A= Z, B = 100 Å-2); Z=Ordnungszahl; RDF ohne Berücksichtigung der Wasserstoffatome.
Die Auswirkung von Verzweigungen im Molekül bei gleicher Atomzahl führt zu komplizierteren Unterschieden in der radialen Verteilungsfunktion.
Die radiale Verteilungsfunktion reagiert auf die Verkürzung der Maximaldistanz, und zwar in ihrer Gesamtabweichung umso empfindlicher, je geringer die Atomzahl ist. Typische Atomabstände bleiben im wesentlichen erhalten, wobei mit zunehmender Verzweigung Aufspaltungen auftreten, die auf unterschiedliche Ausrichtung der endständigen Methylgruppen im Nebenzweig zurückzuführen sind.
Die Verwendung dreidimensionaler Raumkoordinaten ermöglicht darüberhinaus Unterscheidungsmöglichkeiten für Konformationsisomere.

Radiale Verteilungsfunktionen mit Atomdistanzen der Sessel-, Boot- und Twist-Konformation von Cyclohexan
Die radiale Verteilungsfunktionen der Sessel- und Boot-Konformere unterscheiden sich lediglich in der Häufigkeit der Abstände. In der Twist-Konformation kommen jedoch zwei neue Distanzen hinzu, die eine signifikante Änderung der radialen Verteilungsfunktion verursachen.
Die empfindliche Reaktion der radialen Verteilungsfunktion auf Konformationsänderungen zeigt das Beispiel von 2,2,3,3-Tetramethylbutan. Bei dieser Verbindung wird durch die häufiger auftretenden gleichen Distanzen die Auswirkung einer Konformationsänderung auf die radiale Verteilungsfunktion verringert. Die Summe der Abstände der endständigen Kohlenstoffatome verringert sich bei einer Rotation um die C2-C3-Bindung nur unwesentlicht, wogegen sich die Abstände zweier endständiger Kohlenstoffe wiederum von der ekliptischen bis zur anti-Stellung erhöhen.

Unterschiede in der radialen Verteilungsfunktion bei unterschiedlichen Konformationen von 2,2,3,3-Tetramethylbutan (A= Z, B = 100 Å-2); Z=Ordnungszahl.
Cyclische Systeme
Am Beispiel cyclischer Aliphaten läßt sich erkennen, daß eine strukturelle Ähnlichkeit im chemischen Sinne nicht zwangsläufig eine erkennbare Ähnlichkeit der radialen Verteilungsfunktion zur Folge haben muß. So weisen aromatische Ringe aufgrund ihrer Planarität und ihrer kürzeren CC-Bindung gegenüber nicht-aromatischen Ringverbindungen deutlich andere radialen Verteilungsfunktionen auf. Ebenso besitzen acyclische Aliphaten bei gleicher Atomzahl ein wesentlich größeres Distanzspektrum.
Im Gegensatz zu den flexiblen Molekülen der Aliphaten besitzen Benzenderivate drei charakteristische Distanzen im Ring (1.5 Å, 2.5 Å und 2.8 Å), die gegenüber radialen Verteilungsfunktionen anderer Verbindungen dominant sind.

Ähnliche radiale Verteilungsfunktionen unterschiedlicher Benzenderivate (A= Z, B = 100 Å-2); Z=Ordnungszahl; RDF ohne Berücksichtigung der Wasserstoffatome.
Liegen in Molekülen keine wesentlichen Unterschiede der Distanzen vor, so kann verständlicherweise nicht mit einer Änderung der radialen Verteilungsfunktion gerechnet werden. Anilin, Phenol und Fluorbenzol können ohne die Verwendung physikochemischer Atomeigenschaften bei einer gewählten Auflösung nicht ohne weiteres unterschieden werden.
© Prof. Dr. J. Gasteiger, Dr. Th. Engel, CCC Univ.
Erlangen, Wed Jun 9 12:55:24 2004 GMT
BMBF-Leitprojekt
Vernetztes Studium - Chemie
|