Rachitis ("Englische Krankheit", Glisson-Krankheit)
Die häufigste Form der Rachitis resultiert aus einem Vitamin D-Mangel.
Es gibt daneben einige Vitamin D-resistente Rachitis-Formen. Ein Vitamin
D-Mangel beim Erwachsenen führt zur Osteomalazie.
Als Rachitis bezeichnet man eine gestörte Mineralisation der Knochen aufgrund einer
Beeinträchtigung des Calcium- oder Phosphat-Stoffwechsels. Das Röntgenbild zeigt eine
für diese Krankheit typische Knochendeformation: "O-Beine".
Ein Mangel an Vitamin D führt zu Störungen des Calcium- und Phosphat-Stoffwechsels.
Es kommt zunächst zu mangelhafter Calcium-Resorption aus dem Darm. Die dadurch
hervorgerufene Hypokalzämie (Absinken des Calciumspiegels im Blut) induziert einen
sekundären Hyperparathyreoidismus (kompensatorische Überfunktion der
Nebenschilddrüsen ® Ausschüttung von Parathormon).
Parathormon bewirkt die Knochenentkalkung, also die Freisetzung von Calcium aus dem Skelett,
sowie eine verminderte Rückresorption von Phosphat in den Nierentubuli.
Eine beginnende Rachitis führt zunächst zu Unruhe und Schreckhaftigkeit,
Kopfschweiß und Haarausfall am Hinterkopf. Es treten Muskelhypotonien mit Erschlaffung
der Bauchdecke (sog. "Froschbauch"), ammoniakalischer Harngeruch und Krämpfe
auf. Aufgrund der mangelnden Verkalkung der Knochen verformen sich diese durch
Körpergewicht und Muskelzug. Es kommt zu charakteristischen Knochenverformungen, die sich
zunächst in einer Erweichung des Schädelknochens (sog. "Kraniotabes") zeigen,
gefolgt von einer Abplattung des Kopfes (Caput quadratum). Später kommt es durch
Störungen des Knorpelabbaus und Anlagerung von nicht verkalktem Osteoid zu Auftreibungen
an den Knochen-Knorpel-Grenzen: "Rachitischem Rosenkranz" an den Rippen,
"Doppelhöcker" (Marfan-Zeichen) an Hand- und Fußgelenken,
"Perlschnurfingern" und Erweiterung der unteren Brustkorböffnung
("Glockenthorax"). Es kommt zu verzögertem Zahndurchbruch mit Schmelzschäden
und bei Belastung des Skeletts zu Becken- und Röhrenknochen-Deformationen. Häufige
Komplikationen sind rachitische Tetanie und Knochenbrüche
("Grünholzfrakturen").
Die Diagnose erfolgt meist durch Röntgen-Untersuchungen und Bestimmung der Calcium-
und Phosphat-Konzentration im Serum. Als Therapie werden hohe Dosen an Vitamin D gegeben
(oral, außer bei Resorptionsstörungen), ggf. verbunden mit UV-Bestrahlung. Daneben
müssen bereits aufgetretene Knochendeformationen durch Gipsverbände und Krankengymnastik
korrigiert werden.
Vitamin D resistente Rachitis
Häufigste Ursache ist eine genetisch bedingte Störung des Phosphat-Stoffwechsels, die
chronische Phosphat-Diabetes.
Hierbei ist die tubuläre Phosphatrückresorption vermindert, verbunden mit einer Vitamin
D-Regulationsstörung. Da sich diese Krankheit meist erst nach dem 1. Lebensjahr auswirkt,
sind vor allem die Extremitäten betroffen.
Bei der hyperphosphatämischen renalen Rachitis ist die
Phosphatausscheidung reduziert, es kommt zu einer Erhöhung des Serum-Phosphatspiegels.
Diese Hyperphosphatämie führt zur kompensatorischen Ausschüttung von Parathormon (Parathyrin)
und induziert damit eine Knochenentkalkung.
Rückresorptionsstörungen von Calcium oder Phosphat werden als Rachitis
renalis bezeichnet. Sie können außer bei der chronischen Phosphat-Diabetes
auch als Folge anderer Stoffwechselstörungen auftreten, z.B. bei der Cystinose
oder Tyrosinose (Typ I).
Osteomalazie
Kommt es beim Erwachsenen zu Vitamin D-Mangel, bezeichnet man die
Hypovitaminose als Osteomalazie. Ursache ist meist eine Störung
der Vitamin D-Resorption, Osteomalazie kann jedoch auch
bei chronischen Leber- und Nierenerkrankungen auftreten.
Die Krankheit äußert sich zunächst in diffusen Skelettbeschwerden, gefolgt von
schmerzhaften Knochendeformationen. Im Röntgenbild zeigen sich insbesondere bei den
statisch nicht belasteten Röhrenknochen der oberen Extremitäten eine verminderte Dichte
und Konturunschärfen. Häufig treten Looser-Umbauzonen auf, im Röntgenbild als
deutliche Aufhellungsstreifen sichtbar. An diesen Stellen kommt es oft zu Frakturen
("Ermüdungsbrüchen").
Die Therapie richtet sich nach der Ursache: orale oder parenterale Gabe von Vitamin D,
Calcium bzw. Phosphat, ggf. auch von Vitamin D-Metaboliten.